FG-Rechtsprechung: Mietkosten nach Beendigung der doppelten Haushaltsführung

Anmerkungen der Steuerkanzlei Bauerfeind:

Mietkosten können auch nach Beendigung der doppelten Haushaltsführung abzugsfähig sein. Dies hat 7. Senat des Finanzgerichts Münster mit Urteil vom 12. Juni 2019 (Az. 7 K 57/18 E) entschieden. Die Miete für eine ursprünglich für eine doppelte Haushaltsführung genutzte Wohnung kann nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses für die Dauer einer neuen Arbeitsplatzsuche als vorweggenommene Werbungskosten abgezogen werden. Voraussetzung hierfür ist ein konkreter beruflicher Veranlassungszusammenhang (im Urteilsfall durchgeführte Bewerbungen am bisherigen Beschäftigungsort).

Tenor:

Der Einkommensteuerbescheid für 2015 vom 23.2.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6.12.2017 wird dahingehend geändert, dass um 439,68 € höhere Werbungskosten als bisher bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt werden.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger und der Beklagte zu jeweils 50 %.

Die Revision wird zugelassen.

Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, soweit nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe des vollstreckbaren Betrages leistet.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist noch streitig, bis wann Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses abzugsfähig sind.

Der Kläger wurde für das Streitjahr 2015 einzeln zur Einkommensteuer veranlagt. Seinen Lebensmittelpunkt hatte er unstreitig ganzjährig in A-Stadt (NRW), ging aber einer Beschäftigung in Berlin nach. Zu diesem Zweck hatte er dort eine Wohnung angemietet. Das Arbeitsverhältnis wurde durch den Arbeitgeber zum 31.8.2015 gekündigt. Bis Dezember 2015 bewarb sich der Kläger bei insgesamt 72 Arbeitgebern im gesamten Bundesgebiet und in der Schweiz. Wegen der Einzelheiten wird auf die vom Beklagten angefertigte Aufstellung (Bl. 25 f. der Gerichtsakte) Bezug genommen. Drei dieser Arbeitgeber hatten ihren Sitz in Berlin und Umgebung. Diesbezüglich wird auf die vom Kläger eingereichten Bewerbungen vom 21.9.2015, 1.11.2015 und 6.11.2015 (Bl. 17R ff. der Gerichtsakte) Bezug genommen.

Nachdem der Kläger im Dezember 2015 eine Zusage für eine Stelle in C-Stadt (Hessen) zum 1.1.2016 erhalten hatte, kündigte er die Mietwohnung in Berlin fristgemäß zum 29.2.2016.

In seiner Einkommensteuererklärung für 2015 machte der Kläger Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung in Berlin in folgendem Umfang geltend:

Miete 1-9/2015: 9 * 225,99 € = 2.033,91 €

Miete 10-12/2015: 3 * 240,11 € = 720,33 €

Stadtwerke 294,00 €

Rundfunkgebühr 105,00 €

Zweitwohnungsteuer 82,05 €

Nachzahlung Betriebskosten 185,45 €

Stapelkarre 52,50 €

Saturn 139,00 €

Summe 3.612,24 €

Auf Nachfrage des Beklagten im Veranlagungsverfahren gab der Kläger an, die Wohnung in Berlin erst zu Ende Februar 2016 gekündigt zu haben, da er gehofft habe, in Berlin eine neue Stelle zu erhalten und verwies auf die noch im November 2015 erfolgten Bewerbungen.

Der Beklagte berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid für 2015 lediglich folgende Werbungskosten des Klägers in Bezug auf seine doppelte Haushaltsführung:

Miete 1-11/2015: 11 * 225,99 € = 2.500,01 €

Stadtwerke 294,00 €

Rundfunkgebühr 80,00 €

Zweitwohnungsteuer 82,05 €

Summe 2.956,06 €

Zur Begründung führte er aus, dass Mietkosten lediglich bis zum Ablauf der Kündigungsfrist für den Mietvertrag und damit noch für drei Monate nach Kündigung des Arbeitsverhältnisses anerkannt werden könnten. Die Mieterhöhung ab Oktober, die Betriebskostennachzahlung und über 80 € hinausgehende Rundfunkgebühren seien nicht nachgewiesen. Kosten der Stapelkarre und der Saturn-Rechnung seien nicht nachvollziehbar.

Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos.

Zur Begründung seiner Klage führt der Kläger aus, dass die Miete auch über den 30.11.2015 hinaus als vorweggenommene Werbungskosten abzugsfähig sei. Hierfür spreche, dass er unmittelbar nach Zusage einer neuen Arbeitsstelle die Wohnung in Berlin gekündigt habe. Ferner verweist er auf das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 1.6.2017 (3 K 3278/14).

Der Kläger reicht ferner Zahlungsnachweise nach, aus denen sich die Mietzahlung in der beantragten Höhe (bis einschließlich September 225,99 € und ab Oktober 240,11 € monatlich) sowie die Betriebskostennachzahlung in Höhe von 185,45 € ergeben. Einen über die belegten Rundfunkgebühren in Höhe von 80 € hinausgehenden Beleg reicht er nicht ein. Die Kosten der Stapelkarre und der Saturn-Rechnung macht er nicht mehr geltend.

Daraus ergibt sich folgende begehrte Werbungskostenerhöhung:

beantragte WK laut Erklärung 3.612,24 €

Stapelkarre -52,50 €

Saturn -139,00 €

verbleiben 3.420,74 €

vom Beklagten berücksichtigt 2.956,06 €

Differenz 464,68 €

Der Kläger beantragt sinngemäß, den Einkommensteuerbescheid für 2015 vom 23.2.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6.12.2017 dahingehend zu ändern, dass um 464,68 € höhere Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit als bisher berücksichtigt werden.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er verweist darauf, dass sich der Kläger bei einer Vielzahl von Firmen im gesamten Bundesgebiet beworben habe und nur ein Bruchteil davon auf Berlin entfallen sei. Das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg, gegen das ein Revisionsverfahren (VI R 1/18) anhängig sei, betreffe einen anderen Fall, in dem eine Wohnung während des Mutterschutzes und der Elternzeit bei einem unbefristeten und ungekündigten Arbeitsverhältnis beibehalten worden sei.

In der Sache hat am 27.5.2019 ein Erörterungstermin vor dem Berichterstatter stattgefunden. Auf das Sitzungsprotokoll wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat entscheidet gemäß § 94a Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nach billigem Ermessen ohne mündliche Verhandlung, da der Streitwert 500 € nicht übersteigt.

Die zulässige Klage ist weit überwiegend begründet.

Der Einkommensteuerbescheid für 2015 vom 23.2.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6.12.2017 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO), soweit der Beklagte die Miete für Dezember 2015 nicht, für Oktober und November 2015 nur in Höhe von 225,99 € und die Betriebskostennachzahlung nicht als Werbungskosten berücksichtigt hat. Im Übrigen ist der Bescheid rechtmäßig.

Die mit der Klage geltend gemachten zusätzlichen Aufwendungen in Bezug auf die Wohnung in Berlin stellen Werbungskosten dar. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Werbungskosten sind auch notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung entstehen. Eine doppelte Haushaltsführung liegt vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes seiner ersten Tätigkeitsstätte einen eigenen Hausstand unterhält und auch am Ort der ersten Tätigkeitsstätte wohnt (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Sätze 1 und 2 EStG).

Dass beim Kläger dem Grunde nach die Voraussetzungen für eine doppelte Haushaltsführung in Berlin im Hinblick auf das bis zum 31.8.2015 bestehende Arbeitsverhältnis vorlagen, ist zwischen den Beteiligten nicht streitig. Ebenso wenig ist streitig, dass der Kläger die Aufwendungen für die Wohnung in Berlin jedenfalls bis zum 30.11.2015 geltend machen kann, weil er für die Kündigung der Mietwohnung eine dreimonatige Kündigungsfrist einzuhalten hatte.

Soweit der Beklagte für die Monate Oktober und November 2015 anstelle der tatsächlich gezahlten 240,11 € lediglich 225,99 € Miete und die Betriebskostennachzahlung in Höhe von 185,84 € nicht berücksichtigt hat, handelt es sich hierbei ebenfalls um Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung. Im Klageverfahren hat der Kläger die Höhe der Aufwendungen nachgewiesen. Diesbezüglich besteht zwischen den Beteiligten kein Streit mehr.

Dem Kläger steht darüber hinaus ein Werbungskostenabzug für die Miete über den 30.11.2015 hinaus jedenfalls für den Monat Dezember 2015 in Höhe von 240,11 € zu. Diesbezüglich stehen die Aufwendungen zwar nicht mehr im Zusammenhang mit der doppelten Haushaltsführung, weil das Arbeitsverhältnis beendet war und das Mietverhältnis zum 30.11.2015 hätte gekündigt werden können.

Bei den Aufwendungen handelt es sich jedoch um vorweggenommene Werbungskosten in Bezug auf ein vom Kläger in Berlin angestrebtes neues Arbeitsverhältnis. Aufwendungen sind beruflich veranlasst und damit als Werbungskosten abzugsfähig, wenn ein objektiver Zusammenhang mit dem Beruf besteht und die Aufwendungen subjektiv zur Förderung des Berufs getätigt werden. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn der Steuerpflichtige gegenwärtig noch keine Einnahmen erzielt. Dann sind die Aufwendungen als vorab entstandene Werbungskosten abziehbar, wenn sie in einem hinreichend konkreten, objektiv feststellbaren Veranlassungszusammenhang mit späteren Einnahmen stehen (BFH-Urteil vom 27.10.2011 VI R 99/11, BFH/NV 2012, 216).

Soweit der Kläger noch für den Monat Dezember 2015 Miete für die Wohnung in Berlin gezahlt hat, ist ein hinreichend konkreter Veranlassungszusammenhang mit späteren Einnahmen erkennbar. Der Kläger hatte sich noch Anfang November 2015 auf zwei Arbeitsstellen in Berlin bzw. Umgebung beworben. Zu diesem Zeitpunkt hatte er noch keine Zusage für eine neue Arbeitsstelle an einem anderen Ort erhalten. Im November 2015 bestand daher eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass er eine neue Stelle in Berlin erhalten würde. In diesem Fall hätte er seine doppelte Haushaltsführung in Berlin fortgesetzt und hierfür seine bisherige Wohnung beibehalten können. Selbst wenn der Kläger auf die Bewerbungen noch im November 2015 eine Absage erhalten hätte, hätte er die Wohnung jedenfalls nicht vor Jahresende innerhalb der gesetzlichen Kündigungsfrist aufgeben können. In die Betrachtung ist zwar einzubeziehen, dass eine private Nutzung der Wohnung, z. B. für Besuche in Berlin an Wochenenden, nicht vollständig ausgeschlossen ist. Dies gilt insbesondere für günstige Wohnungen in großen Städten mit hohem Freizeitwert (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 1.6.2017 3 K 3278/14, EFG 2017, 1580). Im Streitfall wird diese Möglichkeit der privaten Nutzung jedoch durch den Umstand überlagert, dass der Kläger die Wohnung in Berlin unmittelbar nach Zusage der neuen Arbeitsstelle zum nächstmöglichen Zeitpunkt fristgerecht gekündigt hat. Der Senat geht daher davon aus, dass es ihm nicht um die Beibehaltung einer günstigen Wohnung für die Freizeitnutzung gegangen ist, sondern um die Vermeidung unnötiger Kosten eines Umzugs und der Anmietung einer vermutlich teureren neuen Wohnung in Berlin. Jedenfalls für einen derart kurzen Zeitraum, der im Streitfall lediglich einen Monat umfasst, kann bei dieser Sachlage eine Berücksichtigung als vorweggenommene Werbungskosten erfolgen. Ob dies in gleicher Weise für die Monate Januar und Februar 2016 gilt, braucht der Senat nicht zu entscheiden, da die Klage ausschließlich das Jahr 2015 umfasst.

Der vom Kläger begehrte Abzug von Rundfunkgebühren in Höhe von 105 € kommt nicht in Betracht, da er lediglich einen Betrag von 80 € nachgewiesen hat, der auch vom Beklagten berücksichtigt wurde.

Daraus ergibt sich folgender Werbungskostenabzug:

Miete 1-9/2015: 9 * 225,99 € = 2.033,91 €

Miete 10-12/2015: 3 * 240,11 € = 720,33 €

Stadtwerke 294,00 €

Rundfunkgebühr 80,00 €

Zweitwohnungsteuer 82,05 €

Nachzahlung Betriebskosten 185,45 €

Summe 3.395,74 €

vom Beklagten berücksichtigt 2.956,06 €

Erhöhung WK 439,68 €

Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO, soweit der Kläger mit der Dezembermiete obsiegt und mit den Rundfunkgebühren unterliegt. Soweit der Kläger mit den erstmals im Klageverfahren nachgewiesenen Aufwendungen obsiegt, folgt die Kostenentscheidung aus § 137 Satz 1 FGO, da er diese Nachweise bereits im Verwaltungsverfahren hätte erbringen können. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 FGO insbesondere im Hinblick auf das beim Bundesfinanzhof bereits anhängige Revisionsverfahren VI R 1/18 zugelassen.

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